Frank W.

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BV-Experte im Interview: Globale Lieferschwierigkeiten erfordern nachhaltiges Lieferkettenmanagement

Nov. 3 2022

Unternehmen müssen sich verstärkt mit ihren Lieferketten auseinandersetzen, um eine zuverlässige Versorgung zu gewährleisten und konkurrenzfähig zu bleiben. Unser Experte, Frank Würzner (Technical Manager INP),  gibt einen kurzen Einblick in die Thematik und erläutert, wie Unternehmen Lieferdefizite vermeiden können.

Hallo Frank, danke, dass du dir die Zeit genommen hast, uns ein paar Fragen zum Thema Lieferkettenmanagement zu beantworten. Als Technical Manager stehst du im regen Austausch mit vielen Unternehmen und bekommst die aktuellen Herausforderungen direkt mit. Vor welchen Problemen stehen die Unternehmen derzeit?

Die aktuellen Geschehnisse auf der Welt bringen viele Herausforderungen mit sich. Einerseits haben wir in der Pandemie die Situation kennengelernt, dass es jederzeit zu Produktionsengpässen kommen kann. Auch Russlands Angriffskrieg in der Ukraine bringt zusätzliche Probleme mit sich: Die Rohstoffverfügbarkeit ist nicht mehr so, wie wir es gewohnt sind. Zudem gefährden weitere Weltgeschehnisse, wie beispielsweise der Brexit oder Naturkatastrophen als Folge des Klimawandels, die Zuverlässigkeit von Lieferketten und Produktionszeitplänen. Dass stimmt nicht nur den Endkunden unzufrieden, sondern die produzierenden Unternehmen können auch Vertragsstrafen, durch eine verspätete Auslieferung auferlegt bekommen. Doch das sind leider nicht die einzigen Herausforderungen. Unternehmen stehen immer mehr unter gesellschaftlicher Beobachtung und müssen ihre Geschäftsmodelle nachhaltig gestalten und dies zeitgleich transparent machen.

Du hast gerade kurz angesprochen, dass diese Ereignisse auch Auswirkungen für den Endkunden haben. Auf welche Probleme könnte dieser stoßen?

Einerseits kann es natürlich zu zeitlichen Verzögerungen kommen, d.h. der Kunde erhält seine Ware verspätet oder zum Teil auch gar nicht. Andererseits kann die Qualität unter dem eingeschränkten Liefermanagement leiden. Denn durch den zeitlichen Druck, der insbesondere bei Engpässen nochmals enorm steigt, leidet häufig am Ende auch die Qualität. Diese Situation führt letztendlich dazu, dass der Endkunde unzufrieden ist, was wiederum folgen für die gesamte Lieferkette hat.

Welche Handlungsanforderungen lassen sich hieraus für die Unternehmen ableiten?

Generell gilt: Lieferketten müssen robuster gestaltet werden, so dass der Endverbraucher pünktlich seine Produkte in der gewünschten Qualität erhält und das unabhängig von sämtlichen äußerlichen Einflüssen. Hersteller müssen ihre Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten auflösen, um flexibler auf Ausfälle regieren zu können. Doch das Gute ist, dass bereits viele Unternehmen die Bedeutung einer widerstandsfähigen Lieferkette erkannt haben und dementsprechend bereit sind, hier zu investieren. Der Trend bei den Herstellern geht aktuell dahin, dass sie für ein Bauteil nicht mehr nur einen Lieferanten haben, sondern mehrere Lieferanten, die alle in der gleichen Qualität produzieren können, um flexibler zu sein.

Absehen von der Auflösung der Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten, welche Möglichkeiten haben die Unternehmen noch, um ihre Lieferketten robuster zu gestalten?

Natürlich könnten Unternehmen einfach hingehen und ihre Produktionsstandorte verlagern, d.h. zum Beispiel selbst produzieren oder in stabileren Ländern. Das wird aber leider nicht immer funktionieren und ist zum Teil sehr kostspielig sowie zeitintensiv. Ratsamer ist es daher, vorbeugend gegen die Risiken innerhalb der Lieferkette vorzugehen. Unternehmen sollten folglich ihre Lieferketten überwachen und sämtliche Daten erfassen, um bei möglichen Abweichungen direkt reagieren zu können. Ebenso empfiehlt sich eine frühzeitige Qualitätsprüfung der Ware, sodass Mängel noch behoben werden können bevor diese beim Endabnehmer landen. Das wirkt sich dann wiederum positiv auf die Kundenzufriedenheit und letztendlich auch auf die Wettbewerbsfähigkeit aus.

Wie kann Bureau Veritas hier unterstützen?

Dienstleister wie Bureau Veritas, können bereits bei der Auswahl des jeweiligen Lieferanten unterstützen. Denn mit Hilfe von Lieferantenqualifizierungen, dem so genannten STA (Supplier Technical Assessment), kann BV prüfen, ob der jeweilige Lieferant überhaupt in der Lage ist, die geforderte Qualität zu liefern. Nachdem dann geeignete Lieferanten ausgewählt wurden, können wir mit unseren Inspektionsleistungen und Zertifizierungen die Hersteller bei der Überprüfung der Qualität und der Einhaltung genereller Standards unterstützen. Neben der Qualität ist es mit unseren Expediting-Lösungen auch möglich, nachzuverfolgen, ob sich der Zulieferer/Hersteller an die Meilensteine bzw. Projektzeitpläne hält. Unsere Expediter können so frühzeitig einschätzen, ob vereinbarte Liefertermine in Gefahr sind. Mit unseren Supply-Chain-Lösungen können wir zudem dabei unterstützen, die gesamte Lieferkette widerstandsfähiger zu gestalten. Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass wir trotz möglicher Reise- oder sonstiger Beschränkungen die notwendigen Inspektionen vor Ort mit lokalen Experten durchführen und somit die Kunden dabei unterstützen können, teure Reisekosten einzusparen. Denn wir sind in mehr als 140 Ländern, u.a. in China, Korea, Indien und Brasilien, vertreten. Dieser Aspekt darf vor allem aus Nachhaltigkeitsgründen nicht außer Acht gelassen werden.

Vielleicht kannst du zum Abschluss nochmal kurz schildern, wie denn so eine Qualitätsüberprüfung beim Hersteller vor Ort konkret aussieht?

Gerne. Nachdem der Kunde uns beauftragt hat, stimmen wir mit ihm gemeinsam als erstes ein passendes Inspektions- oder Prüfprogramm ab. Hierbei richten wir uns z. B. nach projektbezogenen ITP (Inspection & Testplan), so genannten QP (Quality Plan) und den Kundenspezifikationen. Das Inspektions- und Prüfprogramm beinhaltet dann verschiedene Fertigungsprozesse, wie beispielsweise die Überwachung der Schweißprozesse, Werkstoffprüfungen (zerstörend / zerstörungsfrei), Druckproben, Wärmebehandlung, Funktionstest / Leistungstest, Korrosionsschutz und viele mehr, die individuell auf das jeweilige Unternehmen und Projekt zugeschnitten sind. Nachdem das Programm somit definiert wurde, werden unsere geschulten und praxiserfahrenen Inspektorinnen und Inspektoren bei den jeweiligen Lieferanten vor Ort eingesetzt und bewerten die Zulieferer anhand dieser individuellen Vorgaben und überprüfen ebenso die Einhaltung anzuwendender Normen und Standards. Hierbei kommen teilweise auch digitale Inspektionstechnologien, wie beispielsweise Remote-Lösungen, zum Einsatz. Nachdem dann alle vorab definierten Inspektionen und Prüfungen durchgeführt wurden, erhält der Kunde von uns einen ausführlichen Inspektionsreport inklusive Bilddokumentation, der in der Regel innerhalb von 24 Stunden geliefert wird. Der Kunde kann auf Basis dieses Reports dann entsprechend weitere Maßnahmen definieren. Neben dem Report sind aber auch 1:1-Telefonate mit dem Inspektor noch während der Inspektion bei Bedarf realisierbar.

Vielen lieben Dank für deine Einschätzung Frank.

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